Rathaus mit Lochgefängnis
Dem Ostchor von St. Sebald gegenüber liegt das repräsentative Rathaus der Stadt. Der älteste Teil mit dem Großen Saal wurde von 1332–1340 erbaut.
Eine erste spätgotische Erweiterung erfolgte 1514–1515.
Eine zweite Erweiterung von 1617–1622 im Stil der Renaissance ließ nach außen das Gebäude wie einen italienischen Palastbau erscheinen.
Dreigeschossig, mit über 80 m Länge und mit drei prächtigen Pfeilerportalen präsentiert sich die Westfassade. Imposant wirkt die dichte Reihung von insgesamt 34 Fenstern in den beiden Obergeschossen und imposant
sollte es sein, denn man wollte den Plänen der Reichsstadt Augsburg für ein neues Rathaus in nichts nachstehen.
Errichtet wurde es nach Plänen des Architekten Jakob Wolff des Jüngeren (1571 − 1620). Die Nürnberger nennen das Alte Rathaus bis bis heute gerne "Wolff’scher Bau".
Drei Portale mit vorgestellter toskanischer Säulenordnung und offenem Dreiecksgiebel ermöglichen den Zugang. Der Nürnberger Wappendreiverein in den Portalgiebeln vereint die Eingänge
architektonisch und stellt zugleich die politische Zusammengehörigkeit von Stadt und Reich dar.
Über den seitlichen Portalen lagern die Allegorien der vier Weltreiche: Ninos, König Kyros II., Alexander der Große und Julius Cäsar.
Zu verstehen ist die Wahl dieser Allegorien als Protest gegen
jede weltliche und kirchliche Machtausübung des Papstes. Man vertraut nur auf die Bibel und wählt deshalb einen Abschnitt aus dem Buch Daniel, in dem er diese kommenden vier Weltreiche prophetisch beschreibt.
Zu Füßen der Repräsentanten liegen die Tiergestalten der prophetischen Vision. Ein Löwe mit Flügeln wie ein Adler symbolisiert das erste Weltreich, das babylonische Reich. Die beiden Flügel des Löwen
dürfen als Symbol der beiden Hauptreiche Assyrien und Babylonien verstanden werden. Als die Stadt Babylon 539 v. Chr. vom persischen König Kyros II. eingenommen wurde, entstand das zweite Reich.
Der Bär "hatte in seinem Maul drei Rippen" – eine Metapher für die drei großen Feldzüge, auf denen er Lydien, Babylon und Ägypten „verschlang“.
Der Makedonenkönig Alexander der Große zerschlägt das Perserreich mit einer wesentlich kleineren, sehr wendigen Armee und seiner dynamischen Führungskraft.
Der "geflügelte Panther" (Vers 6) charakterisiert dies trefflich. Die Vierköpfigkeit verweist auf den Zerfall des Großreiches nach Alexanders Tod in die ehemaligen Reiche Griechenland, Asien, Syrien und Ägypten.
Das letzte Tier läßt einen Wolf vermuten und wird in Vers 7 als "furchterregend, schrecklich und außerordentlich stark … und mit eisernen Zähnen" beschrieben. Interprediert wurde dies als das
Römische Reich und dargestellt mit Kaiser Julius Cäsar. Nach Daniel trägt das Tier 10 Hörner, was als die 10 Reiche interprediert werden kann, die dem römischen Niedergang folgten. Ein elftes Horn erwächst
dem Tier und überragt am Schluß die anderen. Dieses elfte Horn trägt einen kleinen Kopf mit Turban. Vermutlich eine Anspielung auf die anhaltende osmannische Bedrohung.
Über dem mittleren Eingang thront das Reichswappen (Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation), dem die Allegorien der Gerechtigkeit und der Weisheit beigefügt sind, leicht zu erkennen an den Insignien
Schwert und Waage bzw. dem Spiegel für die Selbsterkenntnis und der Schlange (Schlangenkopf am Oberschenkel).
Über dem Reichswappen steht die lateinische Abkürzung PLEG: Wohl regieret mit Weisheit, Gesetz und Güte! Die Spitze bildet ein Pelikan, der sich die Brust aufreißt, um mit seinem Blut die Jungen zu nähren. Dieses Symbol der Aufopferung findet sich übrigens auch am Ehekarusell wieder. Geschaffen wurden die Skulpturen vom Steinmetzen und Bildhauer Leonhard Kern (1588-1662). Zu Beginn des Jahres 1617 baten die Ratsherren der damals Freien Reichsstadt Nürnberg den Kurfürsten von Heidelberg, ihnen für ein Monumentalwerk an den Rathausportalen Obengenannten "auszuleihen".
Brandbomben vernichteten 1944 die gesamte Anlage. Von 1956 bis 1962 wurde das Rathaus nach historischen Vorbildern wieder aufgebaut.
Das Lochgefängnis
Im Kellergeschoß befindet sich das Lochgefängnis.
Im Jahre 1322 erwarb die Reichsstadt Nürnberg vom Kloster Heilsbronn dessen Brothaus am Salzmarkt und baute es zum Rathaus um. Das Erdgeschoss des Brothauses war eine Art Brotbasar für die Bäcker, nur
durch hölzerne Zwischenwände in Ladenzellen oder Brotstuben aufgeteilt.
Das Erdgeschoß wurde erst durch Aufschüttungen und Mauerwerk zum Rathauskeller. Später entstanden in diesen Räumen die Lochgefängnisse.
Man benötigte ein Gefängnis, da das Rathaus zugleich der Ort der Gerichtsbarkeit war.
Von den 21 im Keller entstandenen Räumen wurden 15 als Gefängniszellen genutzt. Eine Zelle war zweimal zwei Meter groß und Gefangene darbten hier bei völliger Dunkelheit angebunden oder anderweitig fixiert.
Die Lochgefängnisse dienten als Untersuchungsgefängnis, d.h. hier wurden Gefangene bis zu ihrer Verhandlung eingesperrt und zermürbt. Die Fixierung von Beinen oder Armen löste grausame, anhaltende Krämpfe aus.
Wer zu lärmen anfing, wurde von den Wachen gottserbärmlich verprügelt.
Fußböden, Decken und Wände der Zellen waren mit Holzbrettern ausgekleidet, um Nässe und Kälte etwas abzuhalten. Der oder die Gefangene mußte dem Gericht nämlich in "guten Zustand"
vorgeführt werden, damit die Strafe auch vollzogen werden konnte.
Eingerichtet waren die Zellen mit einer Holzpritsche, einer Sitzbank, einem Eimer für die Notdurft mit einem Brett darauf, das gleichzeitig als
Tisch diente. Im Winter gab es ein kleines Heizbecken.
Für Brandstifter oder Verleumder gab es spezielle Zellen mit eigener Kennzeichnung. Zelle Nummer 11 zeigt einen roten Hahn, Zelle Nummer 12 eine schwarzen Katze. Die Folterkammer hieß der Form wegen
freundlich Kapelle und Folterinstrumente dienten der motivierenten Aussage und damit der Wahrheitsfindung. Das Stadtgericht tagte im großen Ratssaal und konnte die Aussagen aus der Folterkammer über
einen Verbindungsschacht "live" mithören. Sie mußten weder das Leid mit ansehen, noch den Gestank ertragen.
Für Kost, Logis (Stroh für die Pritsche) und auch für eine eventuell notwendige medizinische Betreuung mussten die Gefangenen selbst aufkommen. Die Versorgung der Gefangenen organisierte der „Lochwirt“.
Wer genug Geld hatte, konnte sich eine bessere Verpflegung leisten. Mittellose wurden durch Almosenstiftungen oder auf Kosten der Stadt verpflegt.
Neben den Gefängniszellen sind die Folterkammer, das Henkerstübchen für die letzte Mahlzeit, die Schmiede zur Herstellung von Fesseln und die Gefängnisküche zu besichtigen.
Der bekannteste Insasse in diesem Gefängnis war wohl der Bildhauer Veit Stoß. Er war ein begnadeter Künstler, aber auch ständig verschuldet und oftmals im Streit mit einem Auftraggeber.
Quellen:
Knauers Kulturführer Deutschland, Droemersche Verlagsanstalt, 1976.
Unsere bayerische Heimat, Ein Reisebegleiter, Verlag Alfred Beron, München, 1974/75.
Deutschland, Sonderausgabe für Tandem Verlag, Potsdam, 2016.
dtv Brockhaus Lexikon in 20 Bänden, Verlag F. A. Brockhaus, Mannheim, 1989.
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Internetquellen, u.a. www.wikipedia.de.
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