"Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man kriegt!" (Forrest Gump)
"Man darf nehmen, wenn man braucht,
und soll geben wenn man kann."
Infostand
Auf diesen Seiten habe ich all das Wissen für eine unbeschwerte Wanderschaft zusammengefaßt. Eine gute Vorbereitung ist die Hälfte Ihrer ganz persönlichen,
erfolgreichen Pilgerschaft.
Müßte ich all das Geschriebene in einem einzigen Satz zusammenfassen, dann würde dieser Satz lauten:
"Alles was du wissen musst ist, dass es möglich ist."
Warum pilgert man?
Im ersten Buch Mose heißt es: "Der Herr sprach zu Abraham: Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus
deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen.
Ein Segen sollst du sein." (Genesis 12, 1)
Die Motive für eine Pilgerreise waren und sind äußerst vielfältig. Die wenigsten Pilger waren von Gott gesandt, dennoch sind die Menschen zumeist aus
religiösen Gründen unterwegs. Sie pilgern für das Seelenheil, aus Dankbarkeit, aufgrund eines Gelübdes oder als Buße.
Interessant zu wissen ist, dass weltliche Gerichte im Spätmittelalter das Pilgern sogar in ihren Strafenkatalog aufnahmen. Das ging so weit, dass eine
"Strafpilgerreise" nach Santiago vor der Todesstrafe bewahren konnte. Häufiger wurden jedoch wohlhabende Kaufleute zur Gesichtswahrung auf eine
Strafpilgerschaft gesandt, vorallem wenn sie sich jungen Frauen gegenüber unzüchtig verhalten hatten.
Im 15. Jahrhundert pilgerten Menschen zunehmend auch
aus Abenteuerlust und weil sie andere Länder und Kulturen kennenlernen wollten. Dieser Aspekt ist bis heute aktuell.
Dabei brachten sogenannte "Berufspilger" die spirituelle Reise im Spätmittelalter zunehmend in Verruf. Die einen ließen sich von reichen
Leuten bezahlen und pilgerten in ihrem Namen eine bestimmte Strecke, mit der sich der Auftraggeber dann brüsten konnte.
Die anderen nutzten die großzügigen Rechte aus, die es jedem Pilger zu dieser Zeit erlaubten, frei von Maut- und Zollabgaben zu reisen, umsonst verpflegt und
untergebracht zu werden. Auch das Bettelrecht in Städten war häufig damit verbunden. Wehe dem, der hierbei in Pilgerkluft ohne Pilgerbrief angetroffen wurde.
Drakonische Strafen erwarteten ihn. In Wien wird ein Gauner heute noch als "Pülcher" bezeichnet.
Während der Reformationszeit nahm das Pilgern stark ab. Martin Luther hatte einen gewissen Anteil daran: Er verglich das religiös motivierte Pilgern im 16. Jahrhundert
mit dem Ablasshandel, bei dem sich Menschen durch den Kauf von sogenannten Ablassbriefen weniger Zeit im Fegefeuer erhofften.
Luther bezeichnete das Pilgern als "Narrenwerk" und spottete über den Jakobsweg nach Santiago de Compostela: "Lauf nicht dahin, man weiß nicht, ob Sankt Jakob oder ein
toter Hund daliegt." In Norwegen wurde das Pilgern ab 1537 sogar unter Androhung der Todesstrafe verboten und von den damals herrschenden Protestanten als Irrlehre angeprangert.
Doch auch die Pilgerbewegung reformierte sich: Die Beweggründe des Pilgers wurden nicht länger vom Zwang und festen Regeln geprägt, sondern galten als freiwillig und
individuell. Die Strecke musste beispielsweise nicht mehr in einer bestimmten Anzahl von Tagen zurückgelegt werden.
Spätestens seit dieser Veränderung ist das auch der Hauptunterschied zwischen einer Pilgerreise und einer Wallfahrt: Während der Wallfahrer Dauer, Ziel und Anliegen
ganz klar definiert, sind es beim Pilger eher die Begegnungen und Erlebnisse unterwegs, die den Reiz der Reise ausmachen.
Eine Pilgerreise war und ist immer auch ein Abenteuer. Trotzdem blieb das Pilgern nach dem Boom im Mittelalter bis weit in das 20. Jahrhundert hinein eine Beschäftigung,
die nur wenige Menschen für sich entdeckten..
Der moderne Pilger
1987 wurde der Jakobsweg vom Europarat zur europäischen Kulturroute erhoben und ausdrücklich empfohlen. Wiederentdeckte Wegenetze, steigendes kulturelles Interesse und der Wunsch nach Entschleunigung locken inzwischen viele Menschen auf den "Camino". Das Pilgern in Europa wird von vielen Menschen wiederentdeckt. Auch deutsche Pilger frequentieren vermehrt die Strecken. Zu verdanken ist dieser Aufschwung auch dem Moderator und Comedian Hape Kerkeling. Mit der Veröffentlichung seines Bestsellers "Ich bin dann mal weg" im Jahr 2006 prägte er nicht nur eine neue Redewendung, sondern ließ auch die deutschen Pilgerzahlen in die Höhe schnellen. Pilgern ist heute wieder genau das, was Hippocrates, der berühmte Arzt der Antike, mit dem Zitat "Gehen ist des Menschen beste Medizin" verdeutlicht: eine ganzheitliche Bewegungskur für Leib und Seele. Hatten die meisten Menschen lange Zeit keine andere Fortbewegungsmittelwahl als die eigenen Füße, ist diese Sehnsucht nach Einfachheit heute wieder ein Luxusgut, das das eigene Leben ordnen soll – oder auch durcheinander bringen. Deshalb entdecken viele Menschen das Pilgern für sich. Nicht unbedingt religiös motiviert, aber doch auf der Suche: nach sich selbst, nach anderen oder nach Gott. Das Besondere an der modernen Pilgerbewegung: Die Reise zu sich selbst verbindet alle Pilger und ist doch gleichzeitig sehr individuell. Das "Auf-dem-Weg-Sein" ist auch abseits der Pilgerbewegung zum Lebensmotto geworden und so spiegelt sich die lateinische Wortbedeutung von "Pilger", nämlich Gast/Fremder ("pergere"), im Lebensstil einer ganzen Gesellschaft wider: Der Weg ist das Ziel.
Der Pilgerpass
Der Pilgerpass oder -ausweis, auf spanisch "credencial", ist für die Übernachtung in den Pilgerherbergen obligatorisch.
Die Pilger können diesen entweder schon von zu
Hause mitbringen oder unterwegs an vielen Stellen entlang des Jakobswegs gegen eine geringe Gebühr erhalten. Über die Fränkische St. Jakobus-Gesellschaft
Würzburg e.V. oder das Pilgerzentrum
Nürnberg kann man ihn einfach online beziehen. Die Zahlung in Höhe von 7,65 € (Stand: 3/2023) erfolgt per Vorkasse mittels PayPal oder VR-Pay (Lastschrift,
Giropay, Kreditkarte). Wenige Tage später liegt er im Briefkasten.
Der Pilgerausweis wird manchmal noch Pilgerbrief genannt. In alter Zeit gab es keinen Ausweis, sondern den Pilgerbrief bzw. das Geleitschreiben. Beide sicherten neben
der Übernachtung in Pilgerherbergen auch die Befreiung von Weg- und Zollzahlungen auf den Geleitwegen. Sie waren damit bares Geld wert. Auch sicherten sie in den
Städten die Möglichkeit zum Betteln.
Erst nach der Reformation, die zeitlich um 1525 anzusetzen ist, kann von einem allgemeinen Passzwang gesprochen werden.
Stempel für den Pilgerpass gab es damals noch nicht. Der Pilgerstempel ist eine Erfindung der Neuzeit, wohl auch, um den Weg zu dokumentieren.
Zu finden sind diese tagsüber in den Kirchen oder Pfarrbüros (falls geöffnet), den Tourismus-Centern, aber auch in Gaststätten und Hotels.
Klassisch erhält man ihn in der Pilgerherberge. Nachfragen lohnt sich!
Die Motive dieser Stempel sind meist ganz besonders und einzigartig gestaltet, sodass sie auch eine schöne Dokumentation des zurückgelegten Weges sind.
Neben den Stempeln wird im Pilgerausweis auch das Datum der Ankunft eingetragen. Um in Santiago de Compostela die Pilgerurkunde, die Compostela, zu erhalten,
braucht man jeden Tag mindestens einen Stempel; ab den letzten 100 Kilometern zu Fuß sind täglich sogar zwei dieser kleinen Kunstwerke vorgeschrieben.
Was für eine schöne Art der Nachweisbarkeit.
Anreise mit der Bahn über Paris
Ein Beispiel: Anreise von Wien nach Saint-Jean-Pied-de-Port
– Nachtzug von Wien nach Paris (Liege- oder Schlafwagen, sehr bequem!)
– dann TGV von Paris nach Biaritz/Bayonne (sehr komfortabel)
– von dort aus fährt ein Lokalzug nach Saint-Jean-Pied-de-Port
– Nächtigung in einem Refugio ...
– ... und schon geht´s am nächsten Morgen los über die Pyrenäen.
Die Via Podiensis beginnt in Le Puy-en-Velay. Ausgangspunkt ist die Kathedrale Notre-Dame. 951 soll Bischof Godeschalk als einer der ersten verbürgten
Jakobspilger von hier aus aufbebrochen sein. Podium oder Le Puy bedeutet auf deutsch "Bergkuppe".
Der Weg führt von Le Puy-en-Velay in der Auvergne nach Saint-Jean-Pied-de-Port in den Pyrenäen und deckt sich weitgehend mit dem Fernwanderweg GR 65 (frz. sentier de grande randonnée).
Nur an dieser Route wurden insgesamt sieben historisch belegte Teilabschnitte identifiziert und unter Denkmalschutz gestellt.
Es sind dies die Abschnitte:
- Nasbinals und Saint-Chély-d’Aubrac (17 km)
- Saint-Côme-d’Olt und Estaing (17 km)
- Montredon und Figeac (18 km)
- Faycelles und Cajarc (22,5 km)
- Bach und Cahors (26 km)
- Lectoure und Condom (35 km)
- Aroue und Ostabat (22 km)
Kilometer- und Höhenangaben in Wanderführern
Manchmal möchte ich mit einem sogenannten Distanzmessrad losziehen, um auch nur annähernd die richtige Entfernung zwischen zwei Ort angeben zu können. Drei Reiseführer, drei
unterschiedliche Entfernungsangaben. Wären es nur kleine Rundungsdifferenzen könnte man darüber hinwegsehen, aber über längere Distanzen sprechen wir hier von Wegunterschieden von mehreren Kilometern.
Ähnlich verhält es sich bei den Höhenangaben. Ich denke insgesamt liegen alle Angaben in einem akzeptablen Bereich, können aber auch nur als Anhalt dienen. Immer wieder werden Streckenführungen aus
den unterschiedlichsten Gründen auch dauerhaft verlegt (Bebauung, Straßenführung, Landschaftsschutzgebiet usw.) bzw. sind Umleitungen, z.B. wegen Bauarbeiten, in Kauf zu nehmen.
Noch zweimal kurz verlaufen und schon ist das Tagesziel drei oder fünf Kilometer weiter.
Denken Sie also bei all Ihren Vorhaben immer an Kräftereserven (Reserven allgemein). Planen Sie auch großzügig Ruhepausen oder Ruhetage ein. Wer Kulturstädte wie Bayreuth, Coburg, Bamberg, Forchheim,
Nürnberg, Ulm, Eichstätt, Rothenburg, oder, oder, oder - ohne "Rast- und Erkundungstag" durchläuft, der ist nach meinem Verständnis auf der Flucht, aber nicht auf Pilgerschaft. Dies gilt um so mehr in Frankreich und Spanien!
Wetter und Jehowa ...
Schönes Wetter zum Wandern und zum Pilgern. Über Wochen hinweg? Vielleicht! Aber eher unwahrscheinlich. Ein Regentag - im Wochendurchschnitt normal. Eine Regenwoche mit zwei Gewittertagen - ein spannendes Erlebnis. Ein Test für die Ausrüstung, die Flexibilität der Planung und die eigene Willenskraft. Wenn Sie noch niemals im Schlamm vielleicht an einem Martel knieend, bei peitschenden Regen und brüllendem Gewitter, Worte gesprochen haben wie: „Oh Herr, laß diesen Kelch an mir vorübergehen, doch nicht mein Wille ...” , dann haben Sie noch keine echte Outdoor-Eichung. Glauben Sie mir, dieser Tag kommt. Wer im dunklen Wald oder auf finsterem, offenem Feld im Angesicht der Naturgewalten noch nicht ehrfürchtiger gebetet hat, als in einer Kathedrale, der hat auf dem Jakobsweg wahrscheinlich auch noch nicht geweint. Beides sind Ereignisse, die jedem Pilger in unterschiedlicher emotionaler Form bevorstehen. Ich finde das deutsche Wort "durchleben" dafür so treffend. Es unterscheidet die Schwatzhaften von den Erfahrenen.
Empfehlung: Achten Sie insbesondere in der Schweiz auf den Wetterbericht und nehmen Sie Wetterwarnungen ernst!
Quellen:
[1] Franz Felsner in: Jakobsweg Via Campaniensis; von Rocroi nach Vézelay, Conrad Stein Verlag, 2021, Seite 10.
Die Straß zu Sankt Jakob, Thorbecke 2004, Klaus Herbers und Robert Plötz.
Libellus Sancti Jakobi, Klaus Herbers, Auszüge, Narr Francke Attempto Verlag, 2. Aufl., Tübingen 2018.
Jakobswege durch Deutschland und die Schweiz, Stürtz, Martin Schulte-Kellinghaus, Annette Mahro, Würzburg 2010.
Unterwegs auf den schönsten Pilgerrouten Europas, Kunth Verlag, München, 2023.
Jakobswege in Deutschland, Regine Heue, Bruckmann Verlag, München, 2022.
Auf dem Jakobsweg - Unterwegs im Zeichen der Muschel, Verlaghaus Würzburg, 2015.
Jakobsweg, Pilgern auf Camino Francés und Camino Aragones, Kunth Verlag, München, 2015.
Knauers Kulturführer Deutschland, Droemersche Verlagsanstalt, 1976.
Unsere bayerische Heimat, Ein Reisebegleiter, Verlag Alfred Beron, München, 1974/75.
Deutschland, Sonderausgabe für Tandem Verlag, Potsdam, 2016.
dtv Brockhaus Lexikon in 20 Bänden, Verlag F. A. Brockhaus, Mannheim, 1989.
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Internetquellen, u.a. www.wikipedia.de.
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